Am 30. Juni 2012 war es so weit: Das Markgräfliche Opernhaus Bayreuth wurde von der UNESCO auf ihrer 36. Tagung in St. Petersburg mit eindeutigem Votum in die Liste des Weltkulturerbes der Menschheit eingetragen. Als 37. Welterbestätte in Deutschland gehört das Opernhaus nun zum weltweit erlesenen Kreis höchstrangiger Denkmäler und Stätten, wie der Kölner Dom oder die Pyramiden von Giseh, um nur zwei Beispiele herauszugreifen.
Die UNESCO verleiht diese bedeutendste Auszeichnung für Kultur- und Naturerbe seit fast 40 Jahren mit dem Ziel, Bauten und Gegenden, die Zeugnis für herausragende Kulturleistungen oder einmalige Naturwunder sind, für die Menschheit zu erhalten. Das Interesse, auf die exklusive Welterbeliste zu kommen, ist groß, aber im Laufe der letzten Jahre mit zunehmendem Aufwand verbunden. Neben umfangreichen Begründungen und Expertisen für den außergewöhnlichen universellen Wert des Welterbes müssen vor allem langfristige Schutzmaßnahmen nachgewiesen werden. Im Falle deren Nichteinhaltung kann auch eine Aberkennung des begehrten Titels drohen, wie es erst jüngst in Dresden geschah.
Detail aus dem Zuschauerraum
Was zeichnet das Markgräfliche Opernhaus als Welterbe aus, mit welcher Begründung konnte die von der UNESCO beauftragte Expertenkommission ICOMOS (International Council of Monuments and Sites) von der hervorragenden Qualität des Bayreuther Barocktheaters überzeugt werden? So überraschend es scheint, haben wir es beim Opernhaus Bayreuth tatsächlich mit »dem Letzten seiner Art« zu tun! Die Besonderheit dieses Monuments liegt im Anlass seiner Entstehung, der baulichen Qualität und dem einzigartigen Erhaltungszustand begründet: Für die Hochzeit ihrer einzigen Tochter Elisabeth Friederike Sophie scheute Markgräfin Wilhelmine keine Mühen und Kosten. Um die umfangreichen Festlichkeiten der mehrtägigen Hochzeitsfeier angemessen begehen zu können, fehlte in Bayreuth aber ein Festraum für Opernaufführungen, Tanz und Bankette. Die kunstsinnige Markgräfin schaffte es, den damals bedeutendsten Theaterarchitekten seiner Zeit, Giuseppe Galli Bibiena, zusammen mit seinem Sohn Carlo für die Innenraumgestaltung zu verpflichten. Diese damals europaweit führenden Theaterspezialisten aus Bologna schufen für Päpste, Könige und Kaiser Opernhäuser und Festdekorationen von eindrucksvoller Pracht. Zumeist waren ihre Werke für einen festlichen Anlass (Geburt, Hochzeit, Krönung oder Staatsbesuch) mit nur wenigen Tagen Dauer gedacht. Diese sogenannte ephemere (vergängliche) Architektur hatte in der Barockzeit eine auffallende Blütezeit und war Impulsgeber für andere Künste. Leider ist der Großteil dieser Architekturform heute nur noch in Beschreibungen und Zeichnungen erhalten.
Detail der farbigen Fassung
Durch einen außerordentlichen Glücksfall überdauerte diese vergängliche Architektur im Logenhaus des Markgräflichen Opernhauses die Zeit unverändert. Während sich überraschenderweise in den vielen Theaterspielstätten Italiens und anderswo in Europa kein einziges Beispiel der Dekorationskunst der Galli Bibiena erhalten hat, können wir in Bayreuth die Illusionskunst und handwerkliche Technik der barocken Meister bis ins kleinste Detail studieren. Giuseppe Galli Bibiena schuf im Jahr 1747 in nur wenigen Monaten das fantastische Logenhaus mit allen Dekorationen und Malereien. Gezielte Betonungen in der Malerei, ausgewählte Materialien und bewusste »Täuschungen« geben uns auch heute noch ein einzigartiges Erlebnis des barocken Illusionsraums. Die Täuschung des Auges (Trompe-l’œil) ist genau auf den Zuschauerraum und auf die Fürstenloge abgestimmt. Gerade der »Blick hinter die Kulissen« zeigt, mit welchen Raffinessen Giuseppe Galli Bibiena gearbeitet hat. Zu Recht kann deshalb dieser barocke Theaterraum als Meisterwerk der menschlichen Schöpferkraft gelten, nach der UNESCO das »Kriterium i« für die Eintragung in die Welterbeliste. Hier ein Zitat aus der Begründung der UNESCO für ihre Entscheidung: »Das Markgräfliche Opernhaus ist ein Meisterwerk barocker Theaterarchitektur von Giuseppe Galli Bibiena in Bezug auf sein Logenhaus und seine akustischen, dekorativen und ikonologischen Eigenschaften.«
Bühnentechnik
Nicht nur im Inneren beeindruckt das Markgräfliche Opernhaus, auch im Äußeren hat sich die stadträumliche Situation seit Wilhelmines Zeiten kaum verändert. Eingepasst zwischen dem Markgräflichen Redoutenhaus und einem Barockpalais ist das Opernhaus als besonderer Baustein der barocken Stadtplanung Wilhelmines gekennzeichnet. Die prunkvolle Fassade des markgräflichen Baumeisters Joseph St. Pierre zeigt als eines der frühesten Beispiele den neuen Bautypus »Theater«, der bis dahin eher unauffällig ausgeprägt oder gar ganz hinter Schlossfassaden versteckt wurde. Heute fallen uns in vielen großen Städten sofort die monumentalen Opernhausfassaden – meist aus dem 19. Jahrhundert – auf, die den repräsentativen Charakter des Gebäudes widerspiegeln. Somit ist das Markgräfliche Opernhaus ein »hervorragendes Beispiel eines Typus von Gebäuden«, nach den Kriterien der UNESCO eine weitere wichtige Begründung für den außergewöhnlichen universellen Wert.
Die UNESCO verlangt für eine Eintragung in die Welterbeliste ausführliche Nachweise für den Schutz und langfristigen Erhalt des Monuments. Deshalb wurde neben der Begründung zum außergewöhnlichen universellen Wert auch ein Managementplan für den laufenden und künftigen Umgang mit dem Markgräflichen Opernhaus erarbeitet. Neben konkreten Schutzzonen im Umfeld des Welterbes sind dort vor allem gesetzliche Vorgaben, Welterbe-Koordination, sowie langfristige Konzepte für die Vermittlung an die Öffentlichkeit aufgezeigt (siehe hierzu die Informationen zum Markgräflichen Opernhaus auf der Homepage der UNESCO: http://whc.unesco.org/en/list/1379).
Präambel zum UNESCO-Antrag
Gutachten der ICOMOS zur Aufnahme des Opernhauses in die Welterbeliste
Ansprechpartner
Empfehlung in den sozialen Medien
Facebook Twitter Google Plus